Willkommen in Halle an der Saale
Die Entdeckung einer Stadt aus neuen Blickwinkeln und mit künstlerischen Mitteln
Am Morgen des 28. Oktober trifft sich in der lichtdurchfluteten Galerie in der Talamtstraße Nr. 9 die Welt. Die Jungen und Mädchen, die sich in einem Kreis aufstellen, sind Schüler einer internationalen Klasse der Sekundarschule Johann-Christian-Reil in Halle. Die Liste der Länder, aus denen sie kommen ist lang: Polen, Griechenland, Bulgarien, Armenien, China, Vietnam, Portugal, Serbien, Syrien und Iran. Zwischen den Schülerinnen und Schülern steht Beata Sienko, Künstlerin und Initiatorin des Projektes „Willkommen in Halle“. Aus Polen stammend, hat sie in Halle ihre „zweite Heimat“ gefunden und kann sich wohl nur zu gut in die jungen Menschen hineinversetzen, die gerade dabei sind, in der Saalestadt eine Heimat zu entdecken. Das künstlerisch orientierte Projekt soll dabei helfen.
In der Mitte des jungen „Weltenkreises“ liegt auf dem Boden ein Blatt Papier, darauf abgebildet das Wappen der Stadt Halle. Ein Plüschhuhn sitzt daneben und blickt auf die Sterne und den Mond. Mit diesen Symbolen beginnt die kleine Entdeckungsreise. Ein kurzer Text wir gelesen, tapfer erarbeiten sich die jungen Weltenbürger in noch ungewohnter deutscher Sprache Jahreszahlen wie ‚Vierzehnhundertachtzehn bis Fünfzehnhundertundsechs‘ und Begriffe wie ‚Landesveraltungsamt‘. Beata Sienko ist aufmerksam, fragt nach den Wörtern, die nicht verstanden werden. Sie erklärt, warum der Rote Turm nicht rot ist und was Hanse, Salzgewinnung, Burg Giebichenstein und Magdeburger Erzbischöfe mit der Geschichte der Stadt zu tun haben.
Dann geht es auf in die Stadt, mit Kameras und dem eigenen Fotohandy ausgestattet, begeben sich alle auf einen kleinen Stadtrundgang. Fotografieren sich und den Anderen am Eselsbrunnen, entdecken in einem bunten Graffiti ihre Zeit, finden sich zum Gruppenbild vorm Stadthaus und entdecken drin den Löwen mit dem Stadtwappen als Fotomotiv. Aus dem Bilderfundus entstehen am kommenden Tag Fotokollagen. Mit ihren Bildern, Wahrnehmungen und ihrem bisherigen Leben in der Stadt erarbeiten die Schülerinnen und Schüler ihren ganz eigenen, jungen Blick auf eine alte Stadt. Blickwinkel werden sich verschieben, Bekanntes wird sich bestätigen und neu Entdecktes prägt das weitere Ankommen in der „neuen Heimat“ Halle (Saale).
Die unter künstlerischer Anleitung gefertigten Collagen werden am Ende der internationalen Klasse übergeben. Die in ihrer Form nicht selbstverständlich ist. Erst drei Klassen in Sachsen-Anhalt – zwei davon an der Reil-Schule in Halle (Saale) und eine weitere Klasse in Stendal – erlauben mit dieser Unterrichtsform ein behutsames und doch fundiertes Ankommen in einem fremden Land, einer fremden Sprache und Kultur. So scheitert der Chemieunterricht nicht am Vokabular und: das Jungen und Mädchen, die sich fast täglich in zehn Nationalitäten begegnen, tolerant und kulturell gebildet aufwachsen– davon darf man wohl getrost ausgehen.